KRISE? SOLIDARISCH BEWÄLTIGEN!

Beschluss der Landesmitgliederversammlung am 12. und 13. November 2022 in Magdeburg

Wir stecken im Moment in einer der größten Überlappungen: Klimakrise, Energiekrise, Wirtschaftskrise. Inflation, Aufsteigen rechtskonservativer Kräfte. Pandemie, Fachkräftemangel und Pflegenotstand. Krieg und Krisenideologie. Wir stecken inmitten einer angeblichen Polykrise, denn alles bedingt sich gegenseitig und ist das Ergebnis des globalen Kapitalismus, der seit etwa einem Jahrhundert das Weltgeschehen und unseren Alltag bestimmt. In diesen Zeiten braucht es ganzheitliche, linke Antworten. Gleichzeitig ist die gesellschaftliche Linke durch interne Konflike und Spaltung nahezu handlungsunfähig.

Viele Menschen wissen nicht, ob sie die nächste Gasrechnung noch bezahlen können, ob sie bald aus der Wohnung geschmissen werden, oder ob sie sich noch den nächsten Einkauf leisten können. Gleichzeitig entzieht die Klimakrise schon jetzt immer mehr Menschen die Lebensgrundlage und Putin führt seinen unmenschlichen Angriffskrieg gegen die Ukraine fort. Wir sind auch inmitten von enorm großen Herausforderungen und müssen jetzt solidarische und gerechte Antworten finden. Solidarisch mit der Ukraine, gerecht und entlastend für alle und das auch mit Blick auf unsere Zukunft. Doch genau an dieser solidarischen und gerechten Politik fehlt es an allen Ecken. Es liegt an uns für sie einzutreten und beizutragen, die gesellschaftliche Linke als ganzes wieder handlungsfähig zu machen.

In Ostdeutschland und Sachsen-Anhalt nehmen wir dabei eine Sonderrolle ein. Wir leben in einem Bundesland mit extrem hoher Armutsquote – schon vor der Inflation. Bereits 40% aller Deutschen haben keine Ersparnisse mehr. Dabei müssen wir jedoch beachten, dass das durchschnittliche Vermögen der Westdeutschen (ab 17 Jahren) im Jahr 2017 mit ca. 120.000 Euro mehr als doppelt so hoch wie das der Ostdeutschen mit ca. 55.000 Euro lag. Im Jahr 2017 verfügten die meisten jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) sowohl in West- als auch in Ostdeutschland über geringe oder gar kein Vermögen. (1) Das bedeutet, dass Menschen aus/in Ostdeutschland, insbesondere angesichts der steigenden Inflationsraten, noch viel gefährdeter sind zu verarmen, als in Westdeutschland. Es ist kein Wunder, dass diese Entwicklung immer mehr Menschen frustriert und die von Rechten gebotenen unterkomplexen Erklärungsmuster und Feindbilder zunehmend Anklang finden.. Sozialpolitische Maßnahmen, wie dieAnhebung des Mindestlohns oder das Bürgergeld sindkaum mehr als ein Inflationsausgleich und fühlen sich wie ein schlechter Witz an. Es braucht Maßnahmen, diefür ein Leben in Würde ausreichen und sowohl kurz- alsauch langfristig existenzen zuverlässig sichern und soziale Ungleichheit abbauen.

Niemand darf im Kalten sitzen!

Die Entlastungspakete der Bundesregierung sind unzureichend und sozial ungerecht. Die meisten Entlastungen werden nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Dabei kommt bei bedürftigen zu wenig an, während Reiche überproportional entlastet werden. Gleichzeitig ist die genaue Umsetzung vieler Maßnahmen intransparent.

Das bedeutet: Die Landesregierung muss endlich Formen der Entlastung an die Teile der Bevölkerung liefen, die sie wirklich brauchen.

Menschen mit geringem Einkommen, Rentner*innen, Azubis, Student*innen, Alleinerziehende und Menschen, die Grundsicherung beziehen, dürfen nicht im Kalten sitzen – deswegen fordern wir ein Moratorium für Strom- und Gassperren. Wir sehen die Landesregierung in der Verantwortung, sicherzustellen, dass niemand in menschenunwürdigen Bedingungen leben muss. Dafür müssen Stadtwerke und andere Energieversorger einen Rettungsschirm erhalten!

Das ist jedoch nur eine kurzfristige Lösung. Um einer Energiekrise auch in Zukunft aus dem Weg zu gehen, müssen wir die Energieversorgung sichern! Unsere Abhängigkeit von fossilen Energien ist der Grund für die steigenden Energiepreise und zerstört gleichzeitig unsere Lebensgrundlage. Der beste Weg, um eine langfristige und nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen, ist also ein massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien. Perspektivisch gehört die Energieversorgung in die öffentliche Hand. Wir brauchen dezentrale Energieversorgung in Bürger*innenhand. Weitere Privatisierung der Energieversorgung aufgrund der aktuellen Krisensituation muss ausgeschlossen werden!

Wohnen als Grundrecht!

Ein Moratorium hilft nicht, wenn man die eigene Wohnung verliert, weil man sie sich nicht mehr leisten kann. Auch in Sachsen-Anhalt werden die Mieten immer höher – Halle ist das neue Leipzig ist das neue Berlin – das bedeutet vielleicht, dass LSA langsam attraktiver wird. Andererseits bedeutet es, besonders im Kontext mit den Teuerungen bei Lebensmitteln, Nebenkosten uvm., dass immer mehr Menschen ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Wir fordern, die Aussetzung von Kündigungen und Zwangsräumungen! Außerdem müssen die Mieten vorübergehend eingefroren werden.

Rechtsextremen Narrativenentschieden entgegentreten!

Zur Landtagswahl in Niedersachsen hat die AfD ihre Prozente im Vergleich zur letzten Landtagswahl verdoppelt. Von etwa 11% können wir in Sachsen-Anhalt zwar nur träumen, trotzdem können wir diese Entwicklung nicht still akzeptieren und resignieren. Im vergangenen turbulenten Jahr hätten die Grundbedürfnisse der Menschen konsequent priorisiert werden müssen, um den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten. Während der Coronapandemie gelang das nicht immer – Eltern wurden alleine gelassen, Menschen am Rand der Gesellschaft fielen durchs Raster, die Erhaltung und der dringend notwendige Ausbau der sozialen Infrastruktur, bspw. der psychischen Gesundheitsversorgung, wurde ignoriert. Die AfD profitiert davon besonders im Zusammenhang mit der Krise, da sie ein Gegenmodell zum Status Quo bietet, das besonders für Menschen, die um ihre Existenz bangen, attraktiv klingt und einfach zu vermitteln ist. Wie Anschlussfähig sie dadurch ist, wird sehr anschaulich bei Demonstrationen in Sachsen-Anhalt: Ob in Quedlinburg, Halle oder Magdeburg – bei den Protesten von Querdenken und vergleichbaren Initiativen mit Verbindungen zur AfD, die sich inzwischen die Energiekrise zu Eigen gemacht hat und sich als Verbündete von Putin verstehen, sind bei Weitem mehr Demonstrant*innen als bei linken Protesten, die für echte soziale Entlastungen auf die Straße gehen. Das kann so nicht weitergehen! Die AfD darf nicht weiter wachsen! 

Wir sagen: Genug ist genug und unterstützen dabei sowohl die Bundesinitiative aber auch Ableger-Ortsgruppen in Sachsen-Anhalt, die ähnliche/gleiche Ziele/Forderungen verfolgen. Alleine können wir nicht viel bewirken – nur gemeinsam in Bündnissen können wir uns als Bewegung auf die Straße gehen und für echte soziale Entlastungen kämpfen und dabei den Rechten den Wind aus den Segeln nehmen!

Zudem braucht es in ländlichen Räumen mehr Beteiligungsmöglichkeiten und Bildungsangebote, insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Egal ob Jugendparlamente, Vereine oder Kulturangebote – der Unmut über die Zustände bei jungen Menschen müssen wir in Aktivismus und Beteiligung lenken, anstatt ihn in Frust und Enttäuschung übergehen zu lassen. So nehmen wir Rechtspopulist*innen den Nährboden!

Umverteilung von oben nach unten!

Die soziale Ungleichheit wächst in Deutschland schon seit Jahrzehnten. Die aktuellen Krisen wirken als Katalysatoren für diese Entwicklung. Während hunderttausende Arbeitnehmer*innen aufgrund der Coronapandemie in Kurzarbeit geschickt wurden und viele Selbstständige Sozialhilfe beantragen mussten, machten Konzerne Rekordgewinne.

Während die Kaufkraft einer großen Mehrheit der Bevölkerung durch die Inflation rapide abnimmt, steigen die Gehälter von Dax-Managern um durchschnittlich 25%. Zwei Familien haben mittlerweile so viel Vermögen, wie 42 Millionen deutsche Zusammen.

Auch diese Entwicklung trägt zu Perspektivlosigkeit und Frustration in großen Teilen der Bevölkerung und damit zum Erstarken rechter und konservativer Kräfte bei. Sie ist ungerecht und keine Gesellschaft kann sie langfristig überstehen. Es ist höchste Zeit sie umzukehren und von oben nach unten unzuverteilen!

Neben einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes in Verbindung mit einer höheren Einkommensgrenze fordern wir dieEinführung einer Vermögenssteuer auf Vermögen ab 1 Mio € bei natürlichen und 5 Mio € bei juristischen Personen.

Insbesondere hohe Erbschaften perpetuieren sozioökonomische Ungleichheiten. Heute wird so viel vererbt wie noch nie. Gleichzeitig ist die Erbschaftssteuer so leicht zu umgehen, dass vor allem Reiche meist kaum welche zahlen. Es braucht also zusätzlich eine funktionierende und höhere Erbschaftssteuer!

Reiche sind die Hauptverursacher der Klimakrise und haben in den vergangenen Krisenjahren besonders von staatlichen Hilfen profitiert. Um als Gesellschaft solidarisch durch die Krise zu kommen und die sozial-ökologische Transformation voranzubringen, müssen sie einen Teil zurückgeben. Daher fordern wir eine Vermögensabgabe für die obersten 1%.

Um soziale Ungerechtigkeit abzubauen, reicht es nicht, nur Reiche zu besteuern. Daher müssen diese Maßnahmen mit höheren Löhnen für die untere Hälfte der Gesellschaft und höheren Sozialhilfen einhergehen.

Arbeitskampf heißt feministischer Kampf!

Wir solidarisieren uns mit den Gewerkschaften IG Metall, IG BCE, IG BAU, NGG, GEW und ver.di und unterstützen sie in den bestehenden und kommenden Arbeitskämpfen. Sie kämpfen für fairere Löhne und angemessene Tarifverträge, um die Beschäftigten finanziell zu stärken und krisenfest zu machen. Das bedeutet auch: Höhere Löhne für alle!

In den vergangenen 1,5 Jahren Pandemie haben wir gesehen, wie essenziell systemrelevante Infrastruktur der Gesundheitsversorgung ist, damit die gesamte Gesellschaft funktioniert. Dabei haben wir erneut schmerzlich feststellen müssen, dass besonders solche Berufe in der Care-Arbeit schlecht bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen unzumutbar prekär sind. Da Care-Arbeit vor allem von Frauen, lesbischen, inter, trans* und agender Personen (FLINTA*) erledigt wird – ob bezahlt oder unbezahlt – deckt dieses System einen weiteren Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismus des kapitalistischen Patriarchats auf. Wir kämpfen gemeinsam für die gute Gesundheitsversorgung und gute Arbeitsbedingungen. Dafür müssen Krankenhäuser und andere Pflegeeinrichtungen zurück in die öffentliche Hand, um sich dem Profitzwang von privaten Trägern wie Ameos zu entziehen.

Mobilität als Grundrecht für alle!

Bahnfahren ist im Moment leider zu teuer – es kann sich nicht jede Person leisten, mal einen kleinen Ausflug nach Leipzig oder Potsdam, nach Halle oder Magdeburg zu machen. Was wir brauchen? Die Weiterführung des 9-Euro-Tickets und massive Investitionen in Bus und Bahn! So werden Pendler*innen zielgerichtet entlastet, mehr gesellschaftliche Teilhabe durch bezahlbare Mobilität ermöglicht und es wird ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Das Grundrecht auf Mobilität hin zu einem ticketlosen ÖPNV wird so Stück für Stück Realität. Bund und Land müssen hier also eine Nachfolgelösung zum Preis von 9 Euro im Monat anbieten – 49 Euro sind einfach zu teuer! Das sind fast 600 Euro im Jahr! Insbesondere außerhalb der Städte muss der ÖPNV passend dazu massiv ausgebaut werden. Ziel ist eine öffentlich organisierte Mobilität, die allen offen steht und zum Alltag passt. Egal ob du in Halle oder Havelberg lebst und unabhängig von deinem Geldbeutel!

Nur gemeinsam können wir es schaffen!

Wir als GRÜNE JUGEND Sachsen-Anhalt sagen: Genug ist genug! In den nächsten Wochen und Monaten werden wir für eine soziale Krisenbewältigung kämpfen, Druck auf die Landesregierung ausüben und für echte Entlastungen auf die Straße gehen.

(1) https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61778/vermoegen-in-west-und-ostdeutschland-nach-alter/

Nach oben scrollen
Scroll to Top