Beschluss der Landesmitgliederversammlung vom 11.-12. November 2023 in Halle (Saale)
Die Wende, gepaart mit einer drastischen Stillstandspolitik der Landesregierungen, hat Sachsen-Anhalt zu einem Land mit vielen Lücken gemacht. Die berühmte „Rote Laterne“ ist inzwischen eine Art inoffizielles Markenzeichen von Sachsen-Anhalt. Das hat natürlich auch konkrete Konsequenzen für die Menschen vor Ort.
Infrastruktur – gerade in ländlichen Regionen – verschwindet. Gut bezahlte und sichere Jobs sind rar. Vernünftige Ausbildungsangebote auch. Und für Dinge wie ÖPNV, Krankenhäuser oder Jugendclubs fehlt es den Kommunen an Geld – wie überall sonst auch. Praktisch jede Kommune hat ein Gebiet, das fast ausschließlich aus alten, sehr baufälligen, oder sogar zusammengefallenen Gebäuden besteht. Die Straßen sind dort geprägt von leer stehenden Wohnungen und längst vergessene Ladenflächen, die seit mehreren Jahren schon geschlossen haben und provisorisch mit Möbeln aus den frühen Zweitausendern eingerichtet sind. In den ländlichen Räumen befindet sich der nächste Supermarkt oft drei Dörfer weiter, die ärztliche Versorgung ist nicht gesichert, weil Ärzt*innen sich lieber in den Städten niederlassen wollen bzw. die Vergabe von Kassenplätzen oder andere Strukturen es ihnen nicht ermöglichen. Den Bus in die nächste Stadt zu nehmen ist ebenfalls keine realistische Option, da der viel zu selten fährt. Das stellt vor allem für junge, aber auch alte Menschen, die keinen Führerschein haben oder sich ein Auto schlichtweg nicht leisten können, ein enormes Problem dar. Diese Menschen sind auf verlässliche und günstige öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Gleichzeitig stützen wir uns noch immer auf fossile Wirtschaftszweige, wie Kohle und Gas, von denen alle – außer die Landesregierung – längst wissen, dass diese keine langfristigen Perspektiven mehr bieten. Und dort, wo neue Wirtschaft entsteht, z. B. ein neuer Solarpark, der mal eben von Investor*innen aus Westdeutschland gebaut wird, werden die Menschen vor Ort zu oft vergessen.
Während sich nun diese Perspektivlosigkeit breit macht, haben die Rechten in unserem Land ein leichtes Spiel, den Frust in der Bevölkerung für ihre menschenverachtenden Ideologien zu nutzen. Das ist ein Grund mehr, die Politik des Stillstands aufzugeben und endlich für ein zukunftsfestes Sachsen-Anhalt zu kämpfen!
Dornige Chancen
Die Ansiedlung von Großkonzernen bietet dem Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt eine riesige Chance, sich für die Zukunft gut aufzustellen. Denn neben den Arbeitsplätzen, die unmittelbar durch die Ansiedlung der Konzerne entstehen, schaffen diese auch zusätzliche Arbeitsplätze und Strukturen in den Siedlungsgebieten. Nach Jahren der Abwanderung von Betrieben nach Westdeutschland und ins Ausland, stärken Großkonzerne, die sich in Sachsen-Anhalt niederlassen, den hier so benötigten Strukturwandel.
Mit horrenden Fördermitteln werden vom Bund, Land und den Kommunen Anreize für die Großkonzerne geschaffen, damit diese sich im strukturschwachen Ostdeutschland niederlassen. Aktuell sieht man das am Beispiel der Intelansiedung in Magdeburg. Für die Errichtung einer Fabrik zur Herstellung von Halbleitern wurden Intel fast 10 Milliarden Euro zugesichert. Neben der finanziellen Unterstützung durfte Intel fruchtbaren Ackerboden versiegeln und erhält einen eigenen Windpark zur Sicherstellung der Energieversorgung sowie einen vergünstigten Strompreis. Intels Chipfabrik wird voraussichtlich 1500 Gigawatt verbrauchen, was dem Doppelten des Stromverbrauchs der Stadt Magdeburg entspricht.
Zum Wohl der Wirtschaftskraft werden immer wieder Zugeständnisse gemacht, wohingegen die Gesellschaft jedes Mal hinten angestellt wird und oft erst gar keine Beachtung bekommt. Dabei ist schon jetzt klar, dass durch die Ansiedlung die Mieten steigen werden und vor allem der Wohnungsbau für einkommensstarke Haushalte vorangetrieben wird. Zusätzlich werden die bereits knappen Kitaplätze und überfüllten Klassenräume noch weiter an die Grenzen getrieben. Hier braucht es schon jetzt vernünftige Konzepte, um dieser Situation vorzubeugen.
Für die Menschen!
Was wir brauchen ist ein echter Strukturwandel, der endlich auch und gerade den Menschen hier in Sachsen-Anhalt zugutekommt und sie in den Fokus rückt! So schaffen wir neue Perspektiven und können Regionen wiederbeleben und am Leben halten.
Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften in Sachsen-Anhalt, aber auch generell in Ostdeutschland, einen Fuß in die Tür bekommen und so für gerechte Arbeitsbedingungen, starke Tarife und langfristige Arbeitsplätze kämpfen können. Wir wollen uns für die Klimabewegung einsetzen, damit Großkonzerne endlich nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste unsere Umwelt für ihre Profite zerstören können und wir wollen uns selbstverständlich auch für die Anwohner*innen einsetzen, ohne die keine Entscheidungen getroffen werden dürfen.
Die Ansiedlung und Förderung von Wirtschaft und Infrastruktur muss heißen, dass in der Region gut bezahlte und sichere Jobs entstehen und dass die Profite den Menschen vor Ort zugutekommen, ohne dabei öffentliche Infrastruktur und Ressourcen, wie z. B. Wasser oder Land, unverhältnismäßig auszunutzen oder zu belasten. Politische Blindheit, wie die unreflektierte Intel-Euphorie der Landesregierung, und einen Strukturwandel, der allein der Wirtschaft dient, ist für uns nicht hinnehmbar.
Es braucht also die richtigen Rahmenbedingungen. Mit einer Statusgarantie könnte sichergestellt werden, dass alle Beschäftigten der fossilen Industrien neue Jobs mit vergleichbaren Tarifbedingungen erhalten. Mit einer allgemeinen Jobgarantie könnten gut bezahlte Jobs in den Kommunen entstehen und so Vollbeschäftigung und Stabilisierung in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs erreicht werden. Status- und Jobgarantie können den Menschen notwendige Sicherheit bieten, um optimistisch auf den Wandel blicken zu können. Darüber hinaus braucht es mehr langfristige Aus- und Weiterbildungsangebote für die Menschen in den Transformationsbranchen. Nicht zuletzt müssen durch eine planende und vorausschauende Industriepolitik und durch eine Stärkung der Daseinsvorsorge viele neue, gut bezahlte und mitbestimmte Jobs entstehen. [1]
Ganz grundsätzlich braucht es viel mehr Infrastruktur in öffentlicher Hand. Selbstverständlich muss überall dort, wo der Staat Unternehmensrisiken abfedert oder – wie bei Intel – sich finanziell beteiligt und fördert, auch öffentlicher Wohlstand entstehen, welcher so auch unter demokratischer Kontrolle steht. Darüber hinaus gibt es viel Infrastruktur, die von Anfang an gemeinwohlorientiert geplant werden muss. Das gilt vor allem dort, wo aktuell neue Industrien ohne öffentliche Beteiligung entstehen und einen Großteil der Gewinne nur aus der Region abführen. Neue gebaute Solar- und Windparks müssen unbedingt die Kommunen und Bürger*innen beteiligen. Deren Gewinne müssen vor Ort bleiben und dürfen nicht Großinvestor*innen zugutekommen. Wenn das Windrad am Dorfrand die Kindertagesstätte finanziert, werden auch Akzeptanzprobleme weniger. Die Grundversorgung gehört konsequent zurück in die öffentliche Hand, losgelöst von einer Profitmaximierung. Menschen im ländlichen Raum haben Anspruch auf eine gute notärztliche Versorgung, schnelles Internet, guten ÖPNV oder ausreichend Kita-Plätze. Solche Infrastruktur ist einerseits das gute Recht der Menschen im ländlichen Raum und hilft andererseits Sachsen-Anhalt endlich zu der attraktiven Region umzugestalten, die sie zu sein verdient, und hält die Menschen auch nach ihrer Schulzeit, dem Studium oder der Ausbildung hier. Damit wird gesichert, dass auch langfristig Arbeitskräfte vor Ort sind, die wiederum den Strukturwandel voranbringen können.
Die Kohle.
Für einen gerechten und zukunftsfähigen Strukturwandel in Sachsen-Anhalt ist es zwingend notwendig, insbesondere die Braunkohle in den Blick zu nehmen. Auch wenn uns allen klar ist, dass die Kohleförderung und Verstromung schon lange keine Zukunft mehr hat, bildet sie dennoch ein einflussreiches Standbein in Sachsen-Anhalt. Es ist essenziell für unsere Zukunft, schnellstmöglich aus den fossilen Energien und somit auch der Kohle aussteigen. Der Weg hin zu einem klimagerechten Sachsen-Anhalt lässt schon lange nicht mehr auf sich warten und muss mit aller Kraft vorangetrieben werden. Denn damit schützen wir nicht nur das Klima und bringen Sachsen-Anhalt dem 1,5 Grad Pfand ein Stück näher, sondern sichern ebenfalls die Versorgungssicherheit weiter ab und schaffen neue und vor allem sichere Arbeitsplätze, die auch eine Zukunft haben, für die Beschäftigten in Sachsen-Anhalt. Hierbei ist es von enormer Bedeutung, den Kohleausstieg für und besonders mit den Menschen vor Ort zu gestalten. Denn nur mit dem Rückhalt der Bevölkerung ist ein Wandel in der Energieversorgung möglich.
Der Braunkohletagebau bildet nach wie vor ein zentrales Standbein für Beschäftigte in Sachsen-Anhalt. Gut bezahlte Jobs und eine starke gewerkschaftliche Verankerung machen die Jobs in der Braunkohle trotz des Auslaufens zu attraktiven Stellen für die Arbeitnehmer*innen. Aus diesem Grund muss den Beschäftigten eine tariflich gleichwertige Alternative zugesichert werden und schon jetzt in die Aus- und Weiterbildungsangebote für die Menschen in der Braunkohle investiert werden. Ein Strukturwandel in der Braunkohle, der auf Kosten der Menschen umgesetzt wird, stellt für uns keine Option dar.
Allein aus der Kohleförderung und -Verstromung auszusteigen, ohne im gleichen Atemzug die erneuerbaren Energien im Land auszubauen, ist ebenfalls keine Option. Für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Sachsen-Anhalt und die vielen Menschen, die ein Recht auf bezahlbaren und sauberen Strom haben, ist es zwingend notwendig, die Erneuerbaren schnell und in der Fläche auszubauen. Um den herausfordernden Wechsel hin zu mehr Wind- und Solarenergie zu schaffen, muss man die Kommunen und Anwohner*innen bei diesem Transformationsprozess mit einbeziehen. Damit Sachsen-Anhalt eines der Bundesländer wird, in denen der Ausbau der erneuerbaren Energien im Einklang zwischen Mensch und Natur gut gelingen kann, müssen Anreize für die Menschen vor Ort geschaffen werden.
Sachsen-Anhalt zukunftsfähig zu gestalten, ist eine schwere Aufgabe, aber wenn wir gemeinsam kämpfen und die Menschen endlich vor marktgetriebene Interessen stellen, wenn wir das Bundesland attraktiv für die Bevölkerung gestalten und strukturelle, statt allein finanzielle Anreize schaffen, dann machen wir Sachsen-Anhalt zu einer Region, die die lang ersehnten blühenden Landschaften von der Altmark bis zum Burgenlandkreis endlich zu sehen bekommt.