Mobilitätswende für mehr Gerechtigkeit

Beschluss der Landesmitgliederversammlung am 13. und 14. November 2021 in Halle (Saale)

Mobilität heißt Freiheit, Selbstbestimmung, Lebensqualität und viele 
Möglichkeiten zur gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

Eben diese Mobilität haben wir in der Vergangenheit vom Auto abhängig gemacht. 
In Folge sind unsere Städte voll davon, es gibt keine Parkplätze und auf den 
Straßen herrscht Stau. Wir leben (noch) in autogerechten Städten. Die meisten 
Alternativen zum motorisierten Individualverkehr sind noch viel zu häufig 
unattraktiv, voller Barrieren, teuer und unflexibel.

Dabei sollte eigentlich klar sein: Eine für den Klimaschutz notwendige 
Mobilitätswende ist nur möglich, wenn sie soziale Gerechtigkeit als zentrales 
Anliegen begreift und Mobilität allen zugänglich macht. Richtig umgesetzt, kann 
sie so ein wichtiger Schlüssel für eine gerechtere Gesellschaft werden.

Wir sehen im aktuellen System zwei entscheidende Probleme:

Das erste Problem erfährt bereits viel Aufmerksamkeit: Unser Verkehrswesen ist 
immens klimaschädlich. Doch warum ein Umstieg auf Elektrofahrzeuge als 1:1-
Substitution und Appelle an das Konsumverhalten Einzelner keine Lösung sind, 
zeigt insbesondere ein Blick auf das zweite zentrale Problem:

Der Zugang zu Mobilität ist voller Mauern und ungerecht verteilt.

Ländliche Räume sind oft wenig bis gar nicht mit nachhaltiger 
Mobilitätsinfrastruktur bedacht. Wer früh am morgen, am Abend oder einfach 
spontan unterwegs sein will, ist stets auf ein Auto angewiesen.

Auch in Städten wird das Auto noch immer ins Zentrum aller Planungen gestellt. 
Dabei ist das auch über die Abwägung der ökologischen Probleme hinaus eine 
Fehlplanung. Das System „jede Person besitzt ihr eigenes Auto“ ist nicht haltbar 
oder zukunftsfähig. Die Fläche in unseren Städten und Dörfern ist begrenzt, doch 
immer mehr Straßen für immer mehr Autos heißt, wir brauchen immer mehr 
Parkplätze und haben immer mehr Staus, wegen dem dann immer mehr Straßen gebaut 
werden. Flächenversieglung und unattraktive Zentren sind die Folge. Autos 
verbrauchen unfassbar viel Platz, der für öffentliche Freiräume so dringend 
notwendig wäre. Statt breiter Wege voll mit Aufenthaltsräumen, Bäumen, Cafés 
oder Parks sind unsere Ortszentren heute geprägt von grauen Parkplätzen, breiten 
Straßen und der Lärm- und Luftverschmutzung, die unmittelbar mit diesen 
einhergeht.

Wir haben eine Gesellschaft gebaut, in der Mobilsein eine Notwendigkeit für die 
gleichberechtigte Teilnahme am alltäglichen Geschehen ist. Dieselbe Gesellschaft 
haben wir strukturell auf das Auto ausgerichtet – und damit alle vor große 
Hürden gestellt, die kein Auto fahren können oder wollen. Kurz: Das Auto ist 
eine Mobilitätsoption, die ausschließt. Egal ob Jugendliche ohne Führerschein, 
die nicht fahren dürfen, Menschen mit Beeinträchtigung, die nicht fahren können 
oder Menschen mit knappen Finanzen, die die Anschaffung sowie die hohen 
laufenden Kosten, die mit einem Auto einhergehen, nicht stemmen können.

Was uns selbstverständlich auch bewusst ist: Gerade im ländlich-geprägten 
Sachsen-Anhalt können wir uns nicht von heute auf morgen vom Auto trennen. Wir 
haben uns von ihm abhängig gemacht. Menschen sind auf ihr Auto angewiesen und 
andere Optionen fehlen, sind zu teuer oder verfügen nicht über die benötigte 
Flexibilität. Aber nicht, weil andere Optionen schlechter wären, sondern weil 
andere Optionen von der Politik bewusst ausgeblendet wurden. Ein wichtiges 
Beispiel ist hier auch das Fahrrad, das zwar grundsätzlich eine klimaschonendes 
Fortbewegungsmittel für kurze Strecken sein kann, aufgrund von katastrophaler 
Infrastruktur – also fehlenden oder plötzlich endenden Fahrradwegen, 
gefährlichen Kreuzungen etc. – doch oft keine echte Alternative ist.

Diese Abhängigkeit heißt für kurzfristige politische Handlungen, dass 
Preissteigerungen im Individualverkehr eine Problematik der sozialen 
Gerechtigkeit darstellen, da sie auch stets die betreffen, die für Alltag und 
Arbeit auf ihr Auto angewiesen sind.

Der erste Schritt kann also nur sein, diese Abhängigkeit aufzulösen, indem wir 
öffentliche und klimaschonende Angebote wie Bahn, Bus, Tram u.v.m attraktiver 
machen, und zwar unabhängig vom Geldbeutel oder Wohnort.

Für uns ist daher klar: Mobilität gehört zur notwendigen öffentlichen 
Daseinsvorsorge und muss auch endlich so gedacht werden!

Daher stehen wir konkret für folgendes:

  • Unsere Perspektive ist eine öffentlich organisierte 
    Mobilitätsinfrastruktur. Der Bahn-Fernverkehr, die Regionalzüge und das 
    ÖPNV-Netz sind öffentliche Daseinsvorsorge und gehören damit in 
    öffentliche Hand, getrennt von kapitalistischen Profitzwängen. Sie sollten 
    gemeinwohlorientiert und ausfinanziert sein.
  • Reisen mit Bus & Bahn muss für alle erschwinglich sein. Ein klassisches 
    Beispiel ist hier der Fernverkehr der DB, der Dank versteckten Kerosin-
    Subventionen und falscher Preispolitik auf innerdeutschen Strecken teils 
    vielfach teurer als Flugreisen angeboten wird. Aber auch in Sachsen-Anhalt 
    müssen die Ticketpreise sinken, zum Beispiel, indem Tarifzonen sinnvoll 
    kombiniert und erschwingliche Ticketangebote wie 365€ Tickets angeboten 
    werden. Insbesondere Schüler*innen, Auszubildende und Studierende sollten 
    neben Sozialhilfeempfänger*innen auch kostenlos mit dem ÖPNV von A nach B 
    kommen können.
  • Investitionen in die Schiene sind dringend notwendig. Für die fehlende 
    Infrastruktur gerade im ländlichen Raum wäre die Reaktivierung 
    stillgelegter Schienenstrecken, die oft noch bis heute von lokalen 
    Initiativen gepflegt und erhalten werden, ein erster Schritt. Eine 
    Reaktivierung ist ein vergleichsweise niedrigschwelliger Anfang für die 
    Ausweitung des Schienennetzes in Sachsen-Anhalt. Aber auch abseits davon 
    müssen wir Bus- Bahn- & Tramnetze ausbauen, elektrifizieren, neue 
    Haltestellen schaffen und Taktungen verdichten. Die Gelder, die im Kontext 
    der Klimakrise in die sozial-ökologische Transformation gesteckt werden 
    müssen, sollten hier einen Schwerpunkt finden. Ziel für ländlichen Raum 
    muss eine Mobilitätsgarantie sein: Von 5 Uhr morgens bis Mitternacht muss 
    jedes Dorf mindestens stündlich mit dem nächsten Mobilitätszentrum (z.B. 
    einem Bahnhof) verbunden sein. Nur so kann der klimaschonende öffentliche 
    Personen-Nahverkehr eine echte Alternative für den Alltag sein.
  • Es braucht einen neuen Schwerpunkt in der Dorf- und Stadtplanung: 
    Platzsparende, barrierefreie und klimaschonende Mobilität schafft neuen 
    Raum, der der öffentlichen Aufenthaltsqualität zugutekommt. Dafür müssen 
    wir ein durchgängiges und sicheres ÖPNV-, Rad- und Fußwegenetz aufbauen 
    und diese dadurch zu einer echten Option für alle Kurz- und Mittelstrecken 
    machen.

All diese Forderungen werden selbstverständlich auch dadurch gestützt, dass sie 
uns den Weg in eine klimaneutrale Mobilität ebnen. Und das sozial-gerecht.

—-

Glossar:

Mobilitätswende: Umdenken in der Verkehrspolitik. Zumeist ist eine Abkehr vom 
Fokus auf das Auto und Klimaneutralität die Hauptidee.

Verkehrswesen: alles, was mit Mobilität in Verbindung steht. Also Straßen, 
Autobahnen, Schiene, Parkplätze, Autos, Züge, …

Infrastruktur: Notwendige Voraussetzung für die Versorgung in einem Land. Sowohl 
für Personen als auch wirtschaftlich. Z.B. Straßen, Krankenhäuser, Schulen, 
Internetleitungen, Mobilfunknetz, …

Daseinsvorsorge: Eigentlich staatliche Aufgabe, lebensnotwendige Infrastruktur 
für alle Menschen zu erhalten und zu pflegen.

Öffentliche Hand: Gesamtheit aller staatlich getragener Institutionen. Z. B. der 
öffentlich-rechtliche Rundfunk oder Universitäten.

Konsum-shaming: Probleme auf das Verhalten einzelner runterbrechen und diese 
dafür Verantwortlich machen, obwohl einzelne nicht oder nur verschwindet gering 
verantwortlich für die Probleme sind. Die wahren Ursachen sind meist 
systematisch, also von Politik und Wirtschaft bestimmt.

Versteckte Subventionen: Kerosin ist von der Energiesteuer und internationale 
Flüge von der Mehrwertsteuer befreit. Der Flugverkehr hat damit einen 
unausgeglichenen Vorteil gegenüber anderen Mobilitätsangeboten, wird also 
indirekt staatlich unterstützt (subventioniert).

Sozial-ökologische Transformation: Umbau der Gesellschaft hin zu 
Klimaneutralität und mehr sozialer Gerechtigkeit.

365€ Ticket: Ein Ticket, dass 365€ kostet und ein Jahr gültig ist, also 1€/Tag.

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